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03.07.2024

Innenministerkonferenz diskutiert über Messerverbotszonen und verlängerte Wohlverhaltensfristen

221. Sitzung der IMK behandelt Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit im öffentlichen Raum

Polizist vor Bahnhof

 

Bundesweite Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum sowie in Zügen und an Bahnhöfen

Unter Tagesordnungspunkt 34 sprachen die Innenminister über „Bundesweite Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit im öffentlichen Raum sowie in Zügen und an Bahnhöfen“. Dieses Thema hatte bereits vor einem Jahr auf der Tagesordnung gestanden. Nun nahm die IMK einen Bericht des BMI zum Thema „Bundesweite Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in Zügen und an Bahnhöfen - Prüfung einer möglichen bundesweit einheitlichen Regelung zu Waffenverboten im öffentlichen Personenverkehr‘“ (Stand: 12.04.24) zur Kenntnis. Wie in waffenrechtlichen Themen üblich wurde dieser Bericht entgegen der Aussage der IMK im Jahr 2000 dass „ihre Beschlüsse und Berichte grundsätzlich öffentlich sind“ nicht freigegeben. Hier zwingen demnach scheinbar „sicherheitspolitische Aufgabenstellungen der Innenressorts [...] dazu, von einer Veröffentlichung der gefassten Beschlüsse und vor allem der Berichte abzusehen“. Aktuell ist die Klage des VDB nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) noch nicht rechtskräftig in der wir Einsicht in einen solchen nicht freigegebenen Bericht gefordert haben. Obwohl das VG Berlin uns in erster Instanz recht gab, hat das BMI einen Antrag auf Zulassung eines Berufungsverfahrens vor dem OVG Berlin gestellt. Die Entscheidung steht noch aus. Dennoch sind wir in Klärung mit dem betreuenden Anwalt, inwieweit eine Anfrage nach dem IFG an das BMI zu diesem neuen Bericht der laufenden Klage zu- oder abträglich sein könnte.

Über die Maßnahmen in Bezug auf Messer wird vor dem Hintergrund tödlicher Messerangriffe wie in Brokstedt und zuletzt in Mannheim sowie der insgesamt steigenden Fallzahlen von Angriffen mit Messern diskutiert. Sowohl in Brokstedt als auch in Mannheim kamen Messer zum Einsatz, die auch nach der aktuellen Gesetzeslage nicht hätten geführt werden dürfen, da die Klingenlänge über 12 cm betrug (§42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG). Beide Taten belegen, dass Verbote allein nicht zu mehr Sicherheit führen bzw. dass die bestehenden Verbote die Taten nicht verhindern konnten. Denn Kriminelle halten sich nicht an Gesetze. Weitere Maßnahmen in Bezug auf ein Messerverbot halten wir daher nicht für zielführend.

Die IMK hält es für geboten, das Führen von Waffen und Messern an öffentlichen Orten, an denen Menschen auf engem Raum zusammenkommen, einschließlich Zügen und Bahnhöfen, weiter zu beschränken. Gerade an diesen Orten bedürfe es eines besonderen Schutzes der Bevölkerung vor möglichen Messerangriffen. Die Prüfung, inwieweit dies möglich ist soll vom BMI gemeinsam mit den Ländern unter Einbeziehung weiterer öffentlicher Orte fortgesetzt und zeitnah abgeschlossen werden.

Unberücksichtigt bleibt hier, dass ein solches Verbot lediglich gesetzestreue Bürger treffen, aber keine Straftat verhindern wird. In Zügen der Deutschen Bahn ist das Mitführen von gefährlichen Gegenständen bereits untersagt. Auch viele Privatbahnen beispielsweise die Bayerische Regionalbahn oder der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg schließen Dinge aus, die eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung des Betriebes darstellen. Ein allgemeines Messerverbot in Zügen und auf Bahnhöfen würde dazu führen, dass auf einer Reise alle Messer in einem verschlossenen Behältnis transportiert werden müssten. Dies ist genauso wenig praxisgerecht wie die im Niedersächsischen Entschließungsantrag geforderte Ausnahmeregelung für Obstmesser. Denn beides würde zu einer ausufernden Definition von Messerarten führen, ohne dass ein Beitrag zur inneren Sicherheit geleistet wird.

Zielgerichteter erscheint da die von der IMK angestoßene Maßnahme, dass das BMI „untersuchen soll ob, zur Eindämmung von Wiederholungs- und Intensivtätern die Befugnis der Waffenbehörden nach § 41 WaffG nach der im Einzelfall gegen unzuverlässige Personen ein präventives Waffenverbot ausgesprochen werden kann, auf bestimmte Messer ausgeweitet werden kann“. Eine solche Maßnahme würde nur die Personen treffen, die aufgrund ihres Verhaltens eine Gefahr darstellen könnten. In unseren Augen ist es jedoch nicht möglich, im Bereich der Messer ein wirkungsvolles Messerverbot auszusprechen, denn bei Messern handelt es sich nun einmal um Alltagsgegenstände. Ein Besitzverbot für Küchenmesser oder Obstmesser für Wiederholungs- und Intensivtäter dürfte daher nicht realisierbar sein. Eine Festlegung auf bestimmte Messer sehen wir als ebenso aussichtslos, da auch hier eine detaillierte Auflistung aller Messer erfolgen müsste, für die eine Erlaubnis erteilt wird und für welche eben nicht. Ein Besitzverbot für Messer wäre also weder durchsetzbar noch zielführend. Sinnvoller ist hier in unseren Augen das Dortmunder Modell, nach dem Intensivtätern das Tragen von Messern untersagt wird.

In diesem Zusammenhang soll das BMI ebenfalls prüfen, ob zur Durchsetzung von Waffenverboten eine Ausweitung von polizeilichen Kontrollbefugnissen erforderlich ist. Generell begrüßen wir es, wenn die polizeilichen Befugnisse dahingehend ausgestaltet sind, dass der Vollzug optimal erfolgen kann. Jedoch darf eine Ausweitung von polizeilichen Kontrollbefugnissen nicht dazu führen, dass Freiheitsrechte des Einzelnen ohne Grund eingeschränkt werden, d.h. diese Maßnahmen müssen immer maßhaltig und zielgerichtet sein. Daher werden wir sobald es hier zu genaueren Initiativen kommt, diese genau prüfen.

Als letzten Punkt bittet die IMK die Justizministerkonferenz zu prüfen, „…ob im Strafgesetzbuch (StGB) für geeignete Delikte als Maßregel der Sicherung und Besserung ein Führensverbot von Waffen und Messern eingeführt werden kann.“ Maßregeln der Sicherung und Besserung nach § 61 StGB aktuell die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, die Führungsaufsicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis und das Berufsverbot. Jedoch ist das Führen von Waffen im Sinne des Waffengesetzes bereits sehr restriktiv geregelt, sodass es hier in unseren Augen keiner Einschränkung bedarf.  Ein Führverbot von Messern würde dagegen erneut  dem Dortmunder Modell entsprechen und nur verurteilte Täter, aber nicht gesetzestreue Bürger treffen. Dies wäre in unseren Augen zu begrüßen. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass eine Verurteilung nach dem StGB deutlich längere Zeit in Anspruch nehmen könnte, als die Erteilung einer Ordnungswidrigkeit und die Einziehung widerrechtlich geführter Messer. Bereits jetzt ziehen sich Gerichtsverfahren über mehrere Jahre und werden nicht selten eingestellt. Hier muss die Justiz entlastet werden, damit Urteile schneller fallen und Strafen unmittelbarer wirken können.

Prüfung der Verlängerung der Wohlverhaltensfristen

Als zweites Thema mit Bezug zum Waffengesetz behandelte die IMK eine Verlängerung der Wohlverhaltensfristen des § 5 Absatz 2 WaffG. Auch hier nimmt die IMK einen Bericht zur Kenntnis, der nicht freigegeben und sogar als „VS-NfD“, also Verschlusssache – Nur für den Dienstgebrauch, eingestuft ist. Der Bericht zeige schlüssige Gründe auf, die für eine Ausweitung der Wohlverhaltensfristen des § 5 Absatz 2 Nummer 3 WaffG von fünf auf zehn Jahre sowie des § 5 Absatz 2 Nummer 2 WaffG von zehn auf fünfzehn Jahre sprechen. Vorbehaltlich seien jedoch verfassungsrechtliche Gesichtspunkte und die Speicherfristen der Erkenntnisquellen im Sinne von § 5 Absatz 5 Satz 1 WaffG, die nicht Gegenstand des Berichts sind. 
Daher solle das BMI eine vertiefende Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten durchführen, insbesondere ob eine Verlängerung der Wohlverhaltensfrist im Hinblick auf die „herabgesetzten Anforderungen in tatsächlicher Hinsicht und die tatbestandliche Weite der Schutzgüter mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen vereinbar wären, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Normenklarheit entwickelt hat“.

Wir halten es an dieser Stelle für erstaunlich, dass offensichtlich noch zahlreiche Fragen zur Umsetzbarkeit dieser Maßnahmen im Raum stehen, wo ein solcher Plan zur Änderung bereits seit mindestens Januar 2023 bekannt ist. 

So sei auch noch zu prüfen „ob die Speicherfristen der Erkenntnisstellen [...] ausreichen, um im Falle einer Verlängerung der Wohlverhaltensfristen den Waffenbehörden aus diesem Zeitraum die für die Zuverlässigkeitsprüfung erforderlichen Informationen zu übermitteln, und wenn nein, ob eine Harmonisierung der Speicherfristen sachgerecht und verfassungsrechtlich zulässig wäre“.
Auch hier scheint eine Maßnahme in der geplanten Novelle implementiert worden zu sein, ohne dass die Wirkung vorher sachgerecht überprüft worden ist. In diesem Sinne begrüßen wir den Beschluss der IMK, durch den die Inhalte des Referentenentwurfes hoffentlich vorab sachgerecht überprüft werden können. Dennoch halten wir eine Verlängerung der Wohlverhaltensfristen generell nicht für sachgerecht, da diese auch bei geringfügigen Verstößen greifen könnten und damit eine weitere Belastung für die zivilen Waffenbesitzer, aber auch für Vollzug und Justiz durch Einzelfallentscheidungen provozieren würden. Insbesondere in Bezug zur geplanten Anpassung des Wortlautes von „Tatsachen die Annahme rechtfertigen“ in „tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen“ sehen wir in der Kombination die Gefahr, dass bereits reine Verdachtsfälle zu langen Entzugsverfahren führen können, die die Justiz, die Waffenbehörden und die Waffenbesitzer belasten.