VDB lehnt Gesetzentwurf zum Waffenrecht in Gänze ab
Gesetzesnovelle birgt Grundrechtsverstöße und trägt zur inneren Sicherheit nichts bei
Der VDB hat sich viele Stunden lang, unter anderen mit unseren Rechtsberatern, mit den Details des Gesetzentwurfs beschäftigt und kommt zu dem Schluss, dass mit den geplanten Änderungen und Ergänzungen radikal und völlig unverhältnismäßig in die bürgerlichen Freiheitsrechte eingegriffen wird. Alle Bürger werden von diesem Vorhaben betroffen, wenn es denn wie geplant, in den parlamentarischen Gremien durchgewunken wird. Viele Menschen werden kriminalisiert. Nichts davon hat eine Sicherung oder Stärkung der inneren Sicherheit zur Folge. Aber vieles davon hat das Potenzial, das Vertrauen der Bevölkerung in Staat und Verwaltung empfindlich zu stören.
Wir haben als Teil der Verbändeallianz unsere gemeinsamen Positionen zu Papier gebracht und heute, am 11.09., an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages geschickt.
Gleichzeitig haben wir als VDB unsere Stellungnahme, die natürlich weiter gefasst ist, und nicht nur das Messerthema betrifft, an die Presse versandt.
Hier im Wortlaut:
Der Schnellschusskompromiss der Ampelkoalition wird zu mehr Straftaten führen, weil Alltagsverhalten kriminalisiert wird. Er wird dazu beitragen, dass wertvolle Arbeitszeit von Ermittlungsbehörden und Justiz für die Bearbeitung von Vorgängen verschwendet wird, die für die innere Sicherheit völlig unbedeutend sind. Er wird Attentate nicht verhindern, die Sicherheit nicht erhöhen. Waffen- und Messerbesitzer werden in ihren Grundrechten eingeschränkt und können selbst Opfer von Behördenwillkür werden. Besitzer der bisher erlaubten Springmesser sollen kalt enteignet werden.
Der VDB kritisiert zum einen, dass das erklärte vorgebliche Ziel der Verschärfung – die Verhinderung oder Verminderung von Messerattacken – in keiner Weise durch die geplante Novelle erreicht wird. Im Gegenteil – mit dem Stand dieses Gesetzesentwurf wird Alltagsverhalten kriminalisiert; mit der Folge, dass zukünftig die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) einen deutlichen Anstieg der Verstöße gegen das Waffengesetz (WaffG) zeigen wird und auch die Zahl der Messerverstöße wird – statistisch –ansteigen.
Zum anderen sind es handwerkliche Fehler, die der VDB moniert: Dem Gesetzesentwurf fehlt nahezu vollständig eine Kostenfolgeabschätzung für Bund und Länder; augenscheinlich wurde auch der Normenkontrollrat (NKR) nicht angehört. Auch eine ordentliche Verbändeanhörung wird es nicht geben. Da es sich um ein Artikelgesetz handelt, können wohl diese „Standards“ umgangen werden – der VDB prüft dies derzeit noch. Denn das WaffG ist eigentlich ein sogenanntes „zustimmungspflichtiges“ Gesetz, dem der Bundesrat zuzustimmen hat – auch dies soll hier umgangen werden.
Änderungen für Waffenbesitzer und die Messerthematik
Es sollen massive Änderungen bei der Prüfung von Zuverlässigkeit und persönlicher Eignung eingeführt werden (§§ 4, 5, 6 i.V.m. § 45 WaffG). So werden neue Abfragen bei Strafverfolgungsbehörden, im Rahmen der behördlichen Prüfung, in das Verfahren eingeführt. Dies an sich ist grundsätzlich auf den ersten Blick unproblematisch – beim zweiten Hinsehen jedoch wird klar, dass die Waffenbehörden zu den neu zu involvierenden Behörden (Landespolizei, zentrale Polizeidienststelle, Landeskriminalamt, Bundespolizei, Zollkriminalamt und Bundeskriminalamt) weder eine automatisierte computergestützte Schnittstelle gibt, noch eine (teil)automatisierte Bewertung der Erkenntnisse. Dies wird zur Folge haben, dass nicht nur neue Anträge für den Jagdschein/Waffenbesitzkarte (WBK), sondern auch Verlängerungen wieder einmal viel mehr Zeit in Anspruch nehmen. Dies zum Ärger der Antragsteller aber vor allem auch eine weitere Überbelastung der Waffenbehörden – die seit der letzten Novelle oft auf der letzten Rille arbeiten. Ohne diese automatisierten Schnittstellen werden auch die neuen „Nachberichtspflichten“ in den Behörden nicht händelbar werden.
Das noch viel größere Problem ist jedoch, dass die Mitarbeiter der Waffenbehörde mit einer nahezu uneingeschränkten Machtfülle ausgestattet werden. Diese grenzenlose Ausweitung der Befugnisse öffnet der behördlichen Willkür Tor und Tür. Der bisher rechtstaatlich verlässliche Verwaltungsvorgang wird ausgehebelt. Die Waffenbehörde wird zukünftig verpflichtet, in allen öffentlich zugänglichen Quellen, also auch in den sozialen Netzwerken,- oder im persönlichen Umfeld des Antragstellers zu recherchieren und diese Erkenntnisse (§ 4 Abs. 5 WaffG-Entwurf) in die Prüfung einfließen zu lassen.
Die Sicherstellung und Wegnahme von Waffen und Munition soll nun nicht erst nach Aberkennung von Zuverlässigkeit oder Eignung, sondern bereits zuvor, bei bloßem Zweifel, möglich sein: Wenn ein Mitarbeiter über einen Widerruf der Erlaubnis „nachdenkt“, kann er bereits für die Dauer der Prüfung des Widerrufs problemlos sofort Waffen und Munition sicherstellen (§ 45 Abs. 6 Satz 1 WaffG-Entwurf). Damit noch nicht genug – denn wenn der Sachbearbeiter hier sogar „Gefahr im Verzug“ sieht, darf er – ohne Richter, ohne Polizei – die Hausdurchsuchung anordnen oder selbst vornehmen. Mit dieser Regelung wird das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG) verletzt, was im Gesetzentwurf sogar bestätigt wird.
Messer und Verbotszonen
Auch wenn manche – auch aus unserer „Waffenblase“ – meinen, dass sowohl Messerbesitzer als auch die Legalwaffenbesitzer mit einem „blauen Auge“ davonkommen, so bewertet dies der VDB grundlegend anders. Zwar sind Themen wie Klingenlängen, Mengenbeschränkungen und Verbot von bestimmten Waffentypen nicht in diesem Entwurf enthalten, aber bei genauer Betrachtung gehen diese Änderungen noch weiter und betreffen die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit und nicht „nur“ Waffenbesitzer.
Nicht nur der Führverbotsparagraph (§ 42 WaffG) wird um „Messer“ ergänzt, sondern es werden zudem noch die §§ 42b und 42c WaffG neu eingeführt (Führverbot im ÖPNV und die Kontrollen der Führverbote bei Veranstaltungen, Verbotszonen und im ÖPNV).
Die praktische Undurchführbarkeit und Unsinnigkeit des Versuchs, Messer öffentlich zu verbieten, wird daran deutlich, dass in zwei Paragraphen (§§ 42 und 42b WaffG-Entwurf) eine ellenlange Auflistung von acht Ausnahmen für die neuen Verbote stehen:
- Personen mit Waffenschein oder Kleinem Waffenschein
- Unternehmen & Handwerker (Berufsausübung)
- Jedermann (wenn Messer, unabhängig von der Klingenlänge, oder Waffe nicht zugriffsbereit befördert wird)
- Messer im ÖPNV wenn Verkehrsunternehmer zustimmt
- Rettungskräfte im Dienst
- Mitwirkende bei Foto-, Film- und TV-Aufnahmen
- Jäger, Sportschützen, Brauchtumspflege
- Sonstige Personen, die Messer mit einem allgemein anerkannten Zweck führen
Damit darf jeder Messer transportieren – auch in Verbotszonen und im ÖPNV – wenn sie nicht zugriffsbereit sind. Dies zeigt, dass Gebrauchsmesser genauso gesellschaftlich akzeptiert und notwendig sind wie z.B. Kraftfahrzeuge – und beides kann man nicht pauschal verbieten, da diese auch gesetzeswidrig für Straftaten gegen das Leben eingesetzt werden können. Genau deshalb ist auch hier der Ansatz der falsche und der VDB verwehrt sich hiergegen, da nahezu niemand in der Bevölkerung den Unterschied zwischen „führen“ und „transportieren“ kennt.
Der neue § 42c WaffG ermöglicht den Behörden überall im ÖPNV, öffentlichen Veranstaltungen und in Verbotszonen jedermann „kurzzeitig anhalten, befragen, mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen und die Person durchsuchen“ – einfach so! Aber der Gesetzgeber hat vorsorglich bereits ein Racial-Profiling untersagt (§ 42c Satz 2 WaffG-Entwurf; Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz).
Weitere kleine aber bedeutende Änderungen
Bisher hatte die Waffenbehörde die Wahl, ob sie bei z.B. Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis die Waffen und Munition binnen einer Frist vom Besitzer abgeben lässt. Diese Kann-Bestimmung wird zu einer Muss-Bestimmung. Diese Wandlung von „kann“ zu „muss“ sowie neue Muss-Bestimmungen finden sich in mehreren §§.
Enteignung
Die bisher noch erlaubten Springmesser (seitlich klappbar, max. 8,5 cm, nicht zweiseitig geschliffen) werden mit einem Totalverbot belegt – mit der Ausnahme für Menschen mit berechtigtem Interesse (z.B. körperlich beeinträchtigte Menschen oder Personen, die beruflich solch ein Messer haben müssen).
Recherchen der VDB-Experten haben ergeben, dass rund 7,5 Mio. Springmesser mit einem Ø Wert von niedrig angesetzten jeweils 60,- € in der Bevölkerung vorhanden sind. Dies bedeutet einen Gesamtwert von 450 Mio. € von Messern, die entschädigungslos (§ 58 Abs. 24 WaffG-Entwurf) innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes bei den Waffenbehörden oder den Polizeidienststellen abzugeben sind.
Der Entwurf sieht keine Besitzstandswahrungen vor. Dies hat es in dieser Form aus Sicht des VDB bisher noch nicht gegeben, weshalb hier der VDB erneut seine Forderung nach einem allgemeinen Entschädigungsparagraphen im Waffengesetz fordern wird. Der Verband fordert seit seiner Next-Guneration Kampagne aus dem vorigen Jahr, dass nur eine vollständige Neufassung des Waffengesetzes sinnvoll ist. Mit dem vorliegenden Entwurf zeigt der Gesetzgeber erneut, dass er das Waffengesetz noch undurchsichtiger, noch komplizierter, noch administrativer und für alle Betroffenen noch teurer machen wird. Lösungsansätze des VDB – wie bereits im Offenen Brief an Bundesinnenministerin Faeser (https://www.vdb-waffen.de/de/service/nachrichten/akuelle/27082024_vdb_appelliert_an_nancy_faeser_richten_sie_den_blick_auf_die_taeter.html) – finden wir im Gesetzesentwurf nicht. Dabei soll gerade die Verbändeanhörung dazu dienen, dass ein Gesetz einen 360°-Blick aller Betroffenen erhält und somit zielgerichtet wirken könnte.
Der VDB plant derzeit den kurzfristigen Einsatz seines berüchtigten www.briefgenerator.de – in einer neuen Evolutionsstufe. Wir berichten zeitnah hierzu.
Zudem ist der VDB am Freitag, 13. September, im Bundesinnenministerium zum Gespräch im Kontext der Novelle. Auch in der kommenden Woche wird der Verband in Berlin vor Ort sein, um möglichst viele Abgeordnete zu sensibilisieren.
Wir appellieren insbesondere an die Bundestagsabgeordneten der FDP-Fraktion, sich diesem Gesetzentwurf entgegenzustellen. Denn der Geist dieser Novelle widerspricht allen Grundsätzen einer liberalen Partei – und letztlich auch den Idealen einer freiheitlichen Gesellschaft.