Marc Henrichmann (CDU) stellt sich den Fragen des VDB
Interview mit dem Berichterstatter für das Waffenrecht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Marc Henrichmann (CDU) positioniert sich eindeutig zu den Waffenrechtsänderungen, die der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorsieht: Er lehnt sie ab. (Foto: Anja Tiwisina). Wir haben Herrn Henrichmann interviewt und bedanken uns für die rasche und freundliche Beantwortung unserer sieben Fragen.
VDB: Wie bewerten Sie die waffenrechtlichen Vorgaben im aktuellen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung zur Inneren Sicherheit?
Marc Henrichmann: Die waffenrechtlichen Vorgaben im aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Inneren Sicherheit lehne ich ab. Der Gesetzentwurf wird als Reaktion auf die schreckliche Tat von Solingen präsentiert, allerdings sind die geplanten Regelungen überhaupt nicht dazu geeignet, solche Taten zu verhindern. Extremisten und Straftäter halten sich bekanntermaßen nicht an Gesetze, was die Frage aufwirft, welchen Zweck diese Verschärfungen erfüllen sollen. Letztlich werden es wohl die gesetzestreuen Bürger sein, die durch zusätzliche bürokratische Hürden benachteiligt werden, während Kriminelle weiterhin Wege finden, sich illegal zu bewaffnen.
Ein weiteres Problem sehe ich in der Überlastung der Behörden. Sie erhalten mit jeder Gesetzesänderung neue Aufgaben, aber die dringend notwendige Aufstockung von Personal und Ressourcen bleibt oft aus. Dies wird langfristig zu einer Überforderung führen, die den Vollzug der Regelungen erschwert.
Stattdessen bräuchte es gezieltere Maßnahmen, wie beispielsweise ein individuelles Waffenverbot für Extremisten und Straftäter, das unabhängig vom bestehenden Waffengesetz verhängt werden kann. Der Gesetzentwurf erweckt den Eindruck, schnell und unter politischem Druck verfasst worden zu sein, ohne ausreichend auf die tatsächlichen Bedürfnisse und Herausforderungen einzugehen.
Das Waffenrecht bedarf zweifelsohne an verschiedenen Stellen einer Überarbeitung, aber dies sollte in Zusammenarbeit mit Experten erfolgen, um praktikable und effektive Lösungen zu finden. Auch wäre es wünschenswert gewesen, das Waffenrecht in seiner Gesamtheit neu und digital zu denken, um es zukunftssicher zu gestalten. Schließlich muss auch die dazugehörige Verwaltungsvorschrift dringend angepasst werden, um einen reibungslosen Vollzug zu gewährleisten. Hier hat Frau Faeser notwendige Änderungen bislang ausgesessen.
VDB: Werden die aktuellen waffenrechtlichen Verschärfungen zu einer Verbesserung der Sicherheitslage und weniger Verbrechen führen?
Marc Henrichmann: Ich wage sehr zu bezweifeln, dass die geplanten Verschärfungen überhaupt zu einer spürbaren Verbesserung der Sicherheitslage und zu weniger Verbrechen führen können. Die Realität zeigt, dass die meisten Gewalttaten und Straftaten von Kriminellen und Extremisten begangen werden, die sich überhaupt nicht an gesetzliche Regelungen halten. Die Wirksamkeit von gesetzlichen Regelungen hängt umgekehrt davon ab, wie gut und praktikabel sie in der Praxis umgesetzt werden können. Es müsste daher eigentlich auch eine Bundesregierung leiten, dass die Regelungen nicht nur auf dem Papier existieren, sondern praktisch dazu beitragen, die tatsächliche Bedrohung durch Kriminalität und Extremismus zu reduzieren. Stattdessen erleben wir nun blinden Aktionismus.
VDB: In der Politik werden in den waffenrechtlichen Debatten regelmäßig Verbote bestimmter Waffen bzw. Gegenstände gefordert. Aktuelles Beispiel ist das Springmesser. Was halten Sie von der Idee eines sog. Entschädigungsparagrafen, der den wirtschaftlichen Schaden für den Besitzer regelt, wenn ein erlaubter Gegenstand zu einem verbotenen wird?
Marc Henrichmann: Es stellt sich die Frage wie mit Eigentümern solcher Gegenstände umgegangen werden soll, insbesondere wenn diese vor dem Verbot erlaubt waren. Ein sogenannter Entschädigungsparagraf wäre in solchen Fällen eine sinnvolle Möglichkeit, den wirtschaftlichen Schaden für betroffene Eigentümer auszugleichen. Wenn ein zuvor legal erworbener Gegenstand nachträglich verboten wird, sollten die Eigentümer nicht allein auf den Kosten sitzen bleiben. Gerade bei Personen, die ein berechtigtes Interesse an solchen Gegenständen haben, wie beispielsweise Sammler oder Jäger, ist es wichtig, auch Ausnahmeregelungen zu prüfen und im Falle eines Verbots Entschädigungen in Betracht zu ziehen.
Dabei sollte jedoch stets im Einzelfall abgewogen werden, ob und in welchem Umfang eine Entschädigung gerechtfertigt ist. Eine pauschale Regelung ist hier nicht immer sinnvoll, da die Umstände je nach Art des Gegenstands und der Nutzung unterschiedlich sein können. Insgesamt sollte der Staat aber die Verantwortung übernehmen, wenn er durch neue Gesetze den rechtmäßigen Eigentümer eines zuvor erlaubten Gegenstands nachträglich verbietet, und die wirtschaftlichen Folgen für die Betroffenen entsprechend regeln.
VDB: § 45 WaffG n.F.: Zuständige (Waffen-)Behörden sollen das Recht erhalten, die Wohnung der Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse zu „durchsuchen“, wenn die „Gefährdung bedeutender Rechtsgüter“ anzunehmen ist. Wie bewerten Sie diesen Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Grundgesetz)?
Marc Henrichmann: Die Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13 des Grundgesetzes ist ein hohes Gut, das nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden darf. Bei der geplanten Möglichkeit, Wohnungen von Waffenbesitzern zu durchsuchen, wenn eine Gefährdung bedeutender Rechtsgüter, insbesondere durch Extremisten und Straftäter anzunehmen ist, handelt es sich um einen tiefgreifenden Eingriff in dieses Grundrecht.
Es ist unumstritten, dass der Schutz der Allgemeinheit oberste Priorität hat, besonders wenn von Extremisten oder Straftätern eine unmittelbare Gefahr ausgeht. In solchen Fällen kann ein Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung gerechtfertigt sein. Dennoch muss dieser Eingriff dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewahren. Entscheidend ist dabei, dass die Bewertung, ob eine solche Maßnahme gerechtfertigt ist, allein den Gerichten und nicht der Willkür einer Bundesregierung obliegt.
VDB: § 4 WaffG n.F.: Zuständige (Waffen-)Behörden sollen zusätzliche Kompetenzen zur Ermittlung der Zuverlässigkeit erhalten, u.a. durch eigene Recherchen. Wie bewerten Sie dieses Vorhaben – auch vor dem Hintergrund der personellen und technischen Ausstattung der Behörden?
Marc Henrichmann: Grundsätzlich halte ich es für richtig, dass Waffenbehörden zusätzliche Kompetenzen erhalten, um die Zuverlässigkeit von Legalwaffenbesitzern besser überprüfen zu können. Wenn jemand öffentlich, etwa im Internet, extremistische Parolen verbreitet oder sich anderweitig so verhält, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen, muss die Behörde in der Lage sein, diese Informationen in die Entscheidung einfließen zu lassen. Die Sicherheit der Gesellschaft hat oberste Priorität.
Allerdings sehe ich das Vorhaben der Bundesregierung mehr als kritisch. Gerade auch mit Bezug auf die personelle und technische Ausstattung sowie die entsprechenden Fähigkeiten der Waffenbehörden. Es ist nicht realistisch, von den Behörden zu erwarten, dass sie ohne umfassende Schulungen und zusätzliche Ressourcen diese neuen Aufgaben adäquat erfüllen können. Die Beamten sollen keine „Top-Fahnder“ werden, sondern benötigen klare Vorgaben, moderne technische Hilfsmittel und vor allem ausreichendes Personal, um ihre Aufgaben überhaupt erstmal sinnvoll durchführen zu können.
Ohne diese Maßnahmen läuft dieses Vorhaben Gefahr, die Behörden weiter zu überlasten, die Umsetzung der Regelungen ineffektiv zu gestalten und auch Willkür Vorschub zu leisten. Stattdessen sollten wir auf eine gezielte Unterstützung der Behörden setzen, um sicherzustellen, dass die neuen Kompetenzen auch wirklich in der Praxis zum Schutz der öffentlichen Sicherheit beitragen, anstatt zu verzögern oder zu gängeln.
VDB: Sie haben sehr deutlich gemacht, wie untauglich die geplanten Gesetzesänderungen sind. Welche Einwirkungsmöglichkeiten bleiben für Ihre Partei bzw. für die Branche nun noch, um die Pläne der Bundesregierung zu verhindern bzw. zumindest abzuschwächen?
Marc Henrichmann: Dass Opposition wirkt, zeigt sich in vielen Bereichen der Politik, beispielsweise bei der Migrationsdebatte. Ohne den Druck der Union hätte die Ampel-Koalition kein Umdenken eingeleitet. In ähnlicher Weise werden wir auch bei diesem Gesetzesvorhaben im Innenausschuss, während der Sachverständigenanhörung und im Plenum unsere Kritik klar formulieren und wirklich wirksame Alternativen aufzeigen.
Dabei ist uns wichtig, die berechtigten Einwände von Verbänden und betroffenen Bürgern ernst zu nehmen. Diese Kritikpunkte werden wir in die Debatte einbringen und deutlich machen, dass die geplanten Maßnahmen die eigentlichen Probleme nicht lösen. Allerdings müssen wir auch realistisch sein: Ohne eine eigene Mehrheit im Parlament haben wir nur begrenzten Einfluss auf den Ausgang der Abstimmung. Die Ampel hat in der Vergangenheit oft gezeigt, dass sie wenig Bereitschaft hat, auf Kritik einzugehen. Dennoch werden wir weiterhin für unseren Weg werben und hoffen, dass die Regierungskoalition, insbesondere die FDP, auf unsere konstruktiven Vorschläge reagiert.
VDB: Viele waffenrechtliche „Ideen“ der jetzigen Bundesregierung stammen noch aus dem CSU-geführten Bundesinnenministerium. Wie beurteilen Sie die berechtigte Sorge der Branche, dass nach der kommenden Bundestagswahl eine unionsgeführte Regierung ähnliche Pläne selbst verfolgen wird?
Marc Henrichmann: Die Sorge der Branche, dass eine unionsgeführte Regierung nach der nächsten Bundestagswahl ähnliche waffenrechtliche Pläne wie die jetzige Bundesregierung verfolgen könnte, halte ich für unbegründet. Der aktuelle Gesetzentwurf trägt klar die Handschrift von Nancy Faeser und zeugt von einem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber gesetzestreuen Bürgern. Diesen Ansatz lehnen wir ab.
Wir in der Union setzen uns vielmehr dafür ein, ein eigenständiges Waffenverbotsgesetz für Straftäter und Extremisten einzuführen, das unabhängig vom Waffengesetz funktioniert. Unser Fokus liegt darauf, gefährliche Personen konsequent zu entwaffnen, ohne rechtstreue Bürger unnötig zu belasten. Zudem fordern wir mehr Ausstattung und Personal für Polizei und Waffenbehörden, um den Vollzug bestehender Gesetze zu verbessern.
Natürlich müssen wir angesichts aktueller Wahlprognosen realistisch bleiben: In der nächsten Legislaturperiode wird die Union bei einem Wahlsieg auf eine Koalition angewiesen sein. Trotzdem ist es unser klares Ziel, diese Positionen unmissverständlich in die Koalitionsverhandlungen einzubringen und uns für eine überarbeitete und praxistaugliche Lösung im Waffenrecht stark zu machen. Unser Ziel ist ein modernes, vollziehbares und vor allem digitales Waffenrecht, das den Anforderungen der heutigen Zeit gerecht wird. Wichtig ist dabei, dass dieses Gesetz von und für Experten erarbeitet wird, um endlich praxistaugliche Lösungen zu gewährleisten. Gesetzestreue Waffenbesitzer sollen dabei nicht weiter belastet, sondern entlastet werden. Illegale Waffen müssen endlich in den Fokus genommen werden. Verschärfungen, wie sie im aktuellen Entwurf enthalten sind, lehnen wir klar ab.