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20.06.2024

Verfassungsschutzbericht 2023 vorgestellt

Cyberangriffe, Spionage, Islamistischer Terror und Reichsbürger werden als Bedrohung ausgemacht

Am Dienstag, 18. Juni, hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser gemeinsam mit dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2023 vorgestellt. Im Mittelpunkt der Pressekonferenz standen dabei hybride Bedrohungen wie Cyberangriffe und Spionage insbesondere durch das russische Regime sowie die extremistischen Bedrohungen durch Islamismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus.

In ihrem Vorwort schreibt Faeser allerdings, nach wie vor sei der Rechtsextremismus „die größte Gefahr für unsere freiheitliche Demokratie und die Menschen, die in ihr leben“. Im Jahr 2023 seien die Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund um fast ein Viertel auf rund 29.000 angestiegen. Die Zahl gewaltorientierter Rechtsextremisten verbleibe mit 14.500 Personen auch 2023 auf hohem Niveau.

Auch die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter sei 2023 auf hohem Niveau aktiv gewesen. Ihr gehörten deutschlandweit etwa 25.000 Personen an. Es wird betont, dass 2.500 von ihnen gewaltorientiert seien und die gesamte Szene sich durch eine hohe Waffenaffinität auszeichne.

Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten stieg um 11,5% auf knapp 7.800 Straftaten. Das linksextremistische Personenpotenzial stieg um 500 auf nunmehr 37.000 Personen, darunter befänden sich 11.200 gewaltorientierte Linksextremisten. Für diese stelle die Polizei, stellvertretend für den demokratischen Staat als Ganzes, das zentrale Feindbild dar.

Seit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe sich auch die Gefährdung durch den islamistischen Terrorismus weiter erhöht, wobei die Bedrohungslage auch vor vorher hoch war. Dem islamistischen Personenpotenzial werden 27.200 Personen zugeordnet.

Im Vorwort zum Verfassungsschutzbericht wiederholt die Innenministerin erneut ihren Willen, sie wolle „rechtsextremistische Netzwerke zerschlagen, ihnen ihre Einnahmen entziehen und ihnen die Waffen wegnehmen.“

Verhinderung von Waffenbesitz bei Rechtsextremisten
Erneut wird die These vertreten, in der rechtsextremistischen Szene gebe es eine hohe Affinität zu Waffen. Genannt werden teilweise erlaubnisfreie Gegenstände wie Hieb-, Stich- und Schreckschusswaffen sowie Armbrüste, aber auch erlaubnispflichtige Schusswaffen.
Erfreulich ist, dass auch auf den illegalen Waffenbesitz in der Szene eingegangen wird. Die Nutzung moderner Technologien wie 3D-Druckverfahren ermögliche Extremisten zudem neue Möglichkeiten zur Bewaffnung, was ein Sicherheitsrisiko darstelle.

Um die verwaltungspraktischen Abläufe bei der Versagung beziehungsweise Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse zu verbessern, wurde im Juli 2022 vom BMI ein Bund-Länder-Forum „Entwaffnung von Rechtsextremisten“ ins Leben, das im September 2023 erneut tagte. In der Sitzung seien unter anderem „Best Practices“ diskutiert und Verfahrensweisen abgestimmt worden, um relevante Daten zur Entwaffnung und zum Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse mit noch besserer Validität ausweisen zu können.

Der VDB begrüßt dies ausdrücklich. Denn nur, wenn die Waffenbehörden mit entsprechenden Informationen versorgt werden, können diese entsprechend der geltenden Rechtslage handeln. Dass die bestehenden Mechanismen funktionieren, zeigt die Tatsache, dass erneut rund 200 „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen wurden, bzw. dass diese Personen im Zusammenhang mit einer staatlichen Maßnahme, wie etwa einer vorangegangenen Anhörung durch die Waffenbehörde, die Waffen freiwillig zurückgegeben haben.
Dennoch verfügten Ende 2023 noch etwa 400 „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ über mindestens eine waffenrechtliche Erlaubnis, was exakt der Zahl im Jahr 2020 entspricht. Die Aussage, dass die Verfassungsschutzbehörden den zuständigen Waffenbehörden fortlaufend alle erforderlichen Informationen zur Verfügung stellen, um den Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse bei Szeneangehörigen zu ermöglichen, kann demzufolge nicht völlig korrekt sein. Hier sollte in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe weiterhin an einer Verbesserung des Informationsflusses gearbeitet werden. Einer Verschärfung des Waffengesetzes bedarf es jedoch nicht, da bereits jetzt alle nötigen Maßnahmen ergriffen werden könnten, was jedoch augenscheinlich nicht passiert. 

Auch einzelne Linksextremisten hätten unter anderem in den kurdischen Kampfgebieten den Umgang mit Schusswaffen und Sprengstoffen erlernt. Sie stellten nach ihrer Rückkehr, gerade in einem zunehmend radikalisierten Umfeld, ein besonderes Sicherheitsrisiko dar. Zudem hatten Exekutivmaßnahmen gezeigt, dass Linksextremisten bei Bedarf Zugang zu Schusswaffen erlangen können.

Waffenaffinität
Im Abschnitt zur Waffenaffinität werden unterschiedliche Fälle genannt, in denen Waffen sichergestellt wurden. 
In Siebeldingen (Rheinland-Pfalz) fand die Polizei einen als [Anm. illegalen] Flammenwerfer umgerüsteten Feuerlöscher und etwa 250 Liter brennbare Flüssigkeiten (Benzin-Öl-Gemisch). 
In Salzkotten (Nordrhein-Westfalen) wurden 29 Maschinengewehre, 20 Maschinenpistolen, 78 Repetiergewehre, 7 halbautomatische Gewehre, große Mengen Munition, Pistolen sowie ein Luftabwehrgeschütz sichergestellt. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei mind. einem Großteil der Waffen um illegale Waffen handelte. Aussagen dazu trifft der Verfassungsschutzbericht nicht. 
In München konnten drei scharfe Handgranaten, eine scharfe halbautomatische Pistole, eine große Anzahl scharfer Munition und Bargeld in Höhe von etwa 100.000 Euro aufgefunden und sichergestellt werden. Gegen den Beschuldigten war bereits im Jahr 2021 ein Waffenverbot erlassen worden. Es handelte sich damit um illegalen Waffenbesitz.