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29.05.2024

VDB protestiert gegen Bundesratsinitiative zur Verschärfung des Waffenrechts

Die niedersächsische Innenministerin fordert bundesweites generelles Springmesserverbot

Als erste meldete es die Braunschweiger Zeitung am Dienstagmorgen:  „Messerangriffe: Niedersachsen will schärferes Waffenrecht. Das Land plant dazu laut Innenministerin Daniela Behrens (SPD) eine Bundesratsinitiative.“ Im Lauf des Tages fand sich dann auch auf der Internetseite der Niedersächsischen Staatskanzlei die entsprechende Pressemeldung: Tatsächlich strebt das Land Niedersachsen eine Bundesratsinitiative an. Damit „soll die Bundesregierung aufgefordert werden, die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser bereits im Januar 2023 angekündigte Verschärfung des Waffenrechts zeitnah umzusetzen“, wie es in dem Statement heißt (Presseinformation vom 28.05.2024). 

Foto: Daniela Behrens (Bildrechte: Ole Spata)

Aber nicht nur das: Darüber hinaus fordert Behrens ein generelles Verbot von Springmessern* (also den Wegfall der Ausnahme für Springmesser, wenn die Klinge seitlich aus dem Griff herausspringt und der aus dem Griff herausragende Teil der Klinge höchstens 8,5 cm lang ist und nicht zweiseitig geschliffen ist) und ein Führverbot von feststehenden Messern bereits ab einer Klingenlänge von sechs (statt wie bisher zwölf) Zentimetern. Im ÖPNV und in Zügen soll das Führen sämtlicher Waffen im Sinne des Waffengesetzes verboten werden, wenn sie nicht in einem verschlossenen Behältnis transportiert werden.
*Unklar bleibt dabei, ob der Innenministerin klar ist, dass das Führen sämtlicher Springmesser bereits jetzt verboten ist. Die oben erwähnte Ausnahme (siehe Anlage 2, Punkt 1.4.1.ist keine Ausnahme vom Führverbot gemäß §42a, Abs.1, Nr 3 WaffG, sondern bezieht sich auf Herstellung, Besitz und Erwerb.

Der VDB hat noch am Dienstag um die Übersendung des Original-Wortlauts dieser Bundesratsinitiative gebeten, um eine fachkundige Erwiderung vorbereiten zu können. Das Dokument wurde uns am heutigen Mittwoch freundlicherweise vom Ministerium übersandt. Sie können es hier einsehen: Bundesratsinitiative_Niedersachsen.pdf.

Selbstverständlich haben wir uns umgehend an die Ministerin gewandt, um unsere Position zu ihrem Vorhaben zu erläutern. Denn wir sind uns einig, was das Ziel angeht: Die Zahl von Messerangriffen in Zügen und im ÖPNV zu reduzieren, die öffentliche Sicherheit zu erhöhen und Menschen vor Gewaltkriminalität zu schützen  – das wünschen wir uns auch, aber mit Verboten können diese Ziele nicht erreicht werden!

Denn weder gewalttätige Straftäter noch psychisch kranke oder verwirrte Menschen konsultieren vor einer Straftat das Waffengesetz oder das Strafgesetzbuch. Dennoch wird immer wieder so argumentiert, auch in dem Antrag aus Niedersachen: „Der Messerangriff am 25. Januar 2023 in einer Regionalbahn in Brokstedt hat nochmals deutlich gemacht, dass das Mitführen von zugriffsbereiten Waffen und Messern in Zügen eine hohe Gefahr darstellt. In Verkehrsmitteln des Öffentlichen Personenverkehrs (ÖPV) kommen auf engsten Raum viele Menschen zusammen und eine Fluchtmöglichkeit ist in der Regel nicht gegeben. (...) Mit der (...) vorgeschlagenen Verkürzung der Klingenlänge von feststehenden Messern auf sechs cm wäre darüber hinaus sichergestellt, dass tödlich wirkende Messer auch in Fahrzeugen und Einrichtungen des öffentlichen Personenverkehrs nicht mehr zugriffsbereit mitgeführt werden dürfen.“

Die Logik dieses Arguments wird von der Realität entkräftet. 


Carina Hermann (Foto), die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, äußerte sich noch am Dienstag, 28.05.2024, wie folgt:

„Das geplante Verbot, Messer mit einer Klingenlänge ab 6 cm nicht mehr in der Öffentlichkeit mitführen zu dürfen (bisher 12 cm), berücksichtigt die alltägliche Realität vieler Menschen nicht ausreichend. Sollten wirklich Familien bei einem Sonntagsausflug kriminalisiert werden, wenn sie normale Frühstücksmesser für ein Picknick im Grünen mitführen? Wie soll dieses Verbot im gesamten öffentlichen Raum, in Bussen und Bahnen umfassend kontrolliert werden? Rechtsstaatliche Verbote mit strafrechtlichen Konsequenzen sollten nur dann erlassen werden, wenn ihre Einhaltung auch gewährleistet werden kann. Angesichts der zunehmenden Arbeitsbelastung der Polizei und der personellen Unterbesetzung der Staatsanwaltschaften erscheint dieser Vorschlag als unpraktische Maßnahme.“

Hier ein Auszug aus unserem Positionspapier, das wir dem Niedersächsischen Ministerium ebenfalls haben zukommen lassen:

 

Messerangriffe werden seit 2020 in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfasst. Zahlen liegen damit erst für die letzten drei Jahre vor. Dies macht deutlich, wie eine Differenzierung der Polizeilichen Kriminalstatistik dazu führen kann, Kriminalitätsschwerpunkte zu beleuchten.

Allerdings sind die Zahlen in unseren Augen aktuell noch nicht absolut aussagekräftig, um hier gesetzliche Veränderungen abzuleiten. Denn aus den Zahlen geht nicht hervor, mit welchen Messern die Taten verübt wurden, sodass nicht abgeleitet werden kann, dass die von Ihnen geplanten Maßnahmen eines Verbotes von Springmessern sowie der weiteren Einschränkung der Klingenlänge überhaupt eine Wirkung zeigen würden. Hier wäre eine weitere Differenzierung der Tatmitteln vonnöten.

Dass Verbote zudem nur von rechtstreuen Bürgern beachtet werden und Straftaten nicht verhindern können, zeigen das Messerattentat im Zug bei Brokstedt, bei dem der Täter vorab ein Fleischermesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge aus einem Supermarkt entwendet hatte, das er nach § 42a Abs. 1 Nr. 3 WaffG bereits nach aktueller Gesetzeslage nicht führen durfte, sowie der Machetenangriff in der Waffenverbotszone in Leipzig.

Beide Verbote konnten die Taten nicht verhindern, weshalb auch eine weitere Verschärfung keine Tat verhindern, sondern lediglich rechtschaffene Bürger kriminalisieren, belasten und wehrlos machen wird.

Ein allgemeines Führverbot von Waffen im Sinne des Waffengesetzes in Zügen und Fahrzeugen des Öffentlichen Personenverkehrs ist zudem bereits jetzt über die Beförderungsbedingungen des ÖPNV möglich. So heißt es bei der Deutschen Bahn: „Von der Mitnahme als Handgepäck oder Traglast sind Gegenstände und Stoffe ausgeschlossen, die geeignet sind, Mitreisende zu stören oder zu verletzen oder den Wagen zu beschädigen. Ausgeschlossen sind insbesondere gefährliche Stoffe und Gegenstände, Schusswaffen [...].“

Ebenso führen Waffenverbotszonen im Bereich von Bahnhöfen immer wieder dazu, dass gesetzestreue Bürger kriminalisiert werden, indem Alltagsgegenstände wie Nagelclipser oder Nagelscheren unter das Verbot gefasst werden. Auch machen Verstöße gegen das Waffengesetz an Bahnhöfen nur einen Bruchteil der Straftaten aus. Wir sehen daher eine weitere Einschränkung im Bereich der Messer als nicht wirkungsvoll und unverhältnismäßig – unabhängig einer geplanten Freistellung für Gebrauchsmesser, wie z.B. Obstmesser. Zudem stellt es einen erheblichen Kontrollaufwand der Polizei dar und belastet die bereits überlastete Justiz.

Regeln ohne Durchsetzungsmöglichkeiten können keine Wirkung entfalten. Wirkungsvoller wäre eine deutlich stärkere Polizeipräsenz und eine Durchsetzung und konsequente Bestrafung der bereits jetzt nach dem Waffengesetz verbotenen Handlungen.