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03.04.2024

Die „Ford-Beretta“

Gastbeitrag von Gregor Wensing

Die alteingesessene italienische Firma Armi Beretta SpA residiert ca. 20 km nördlich von Brescia in Gardone Val Trompia. Ihre Wurzeln gehen auf das Jahr 1526 zurück, als man dort Gewehrläufe zu fertigen begann. In den folgenden Jahrhunderten expandierte die Firma und war im I. Weltkrieg einer der wichtigsten Lieferanten von Kriegsmaterial für die italienischen Streitkräfte. Kurz nach dem Beginn des I. Weltkriegs erschien mit dem Modell 1915 die erste Beretta-Pistole. Seitdem mauserte sich Beretta zu einem der größten Hersteller von Handfeuerwaffen in der Welt. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen war das hier besprochene Modell 1934 (M34) mit seiner Variante Modell 1935 (M35) die weltweit meistgefertigte Pistole.

Die Produktion des Modell 1935 lief bis 1967 und erreichte eine Stückzahl von ungefähr 525.000 Exemplaren.

Interessant sind bei italienischen Waffen Kennzeichen auf dem Rahmen von Pistolen, die unter der (faschistischen) Mussolini-Regierung hergestellt wurden: sie erhielten einmal das Beschussdatum in Arabischen Ziffern gemäß dem Gregorianischer Kalender eingeschlagen – aber auch in Römischen Zahlen nach dem faschistischen Kalender, welcher mit dem  28. Oktober 1922 begann.

So kann eine Pistole von 1937 neben dieser Jahreszahl gleichzeitig die Bezeichnung "XV" oder "XVI" gemäß dem Datum im faschistischen Kalender zeigen. Dies wurde nach dem 8. September 1943 (Ausscheren Italiens aus der “Achse Berlin-Rom-Tokio”)  aufgegeben. Andere mögliche Markierungen auf dem Griffstück hinten links sind die Initialen “RE” (Königliche Armee) und “PS”(Ministerium des Innern).  

Die Beretta-Pistole Modell 1934 wurde auf ausdrücklichen Wunsch des Innenministeriums für in Zivil operierende Sicherheitskräfte entworfen, dann im Jahre 1936 aber auch als Dienstpistole der Italienischen Armee angenommen. Hier blieb sie auch noch in der Nachkriegszeit im Einsatz und wurde erst im ausklingenden vergangenen Jahrhundert durch andere Waffen ersetzt. Im Vergleich zu Modellen anderer Ländern kommt sie mit einer geringeren Anzahl (nur 39) von Einzelteilen aus. 

Eine kleinerkalibrige Variante des Modell 34 ist die Beretta M35. Dieses Modell ist für Patronen des Kalibers “7,65mm Browning” (.32-ACP) an Stelle der “9mm Browning kurz”-Patrone (auch 9x17mm oder .380-ACP) eingerichtet. Der Hauptgrund für ihre Herstellung lag wohl in der größeren Popularität der Patrone “7,65mm Browning”  gegenüber ihrer Schwester “9mm Browning kurz”.

Die Pistole M34 wurde angenommen bei der Italienischen Kriegsmarine, bei der Italienischen Luftwaffe und den Königlichen Leibwächtern.
Deutsche Soldaten des II. Weltkrieges organisierten sich gern eine Beretta-Pistole und als nach dem Abfall Italiens (am 25. Juli 1943 enthob König Viktor Emanuel III. in Übereinstimmung mit dem Faschistischen Großrat Benito Mussolini seines Amtes und ließ ihn festnehmen) ehemalige Waffenbrüder plötzlich Gegner geworden waren, flossen über entwaffnete italienische Truppen auch Beretta-Pistolen in den Bestand der Deutschen Wehrmacht.

Es lag also nahe, dass die neuformierte deutsche Polizei der Westzonen nach 1945 u.a. auch Beretta-Pistolen erhielt – so auch das vorliegende Stück, welches 1952 hergestellt wurde. 
Zu diesem Zeitpunkt galt zwar noch die Kontrollratsdirektive Nr.16 vom 06.11.1945, welche eigentlich ( … ) für ganz Deutschland einheitlich die Bewaffnung der Polizei regelte (was die Sowjets aber nicht davon abhielt, nach eigenem Gusto zu verfahren); die Westalliierten hatten ihre Vorgaben bereits derart gelockert, dass sich deutsche Sicherheitsbehörden im Ausland in eigener Regie Schusswaffen kaufen konnten.        

Der Import geschah über die Firma Albrecht Kind GmbH in Gummersbach-Dieringhausen (Stempel „AKAH“ auf dem Griffstück rechts hinten). Diese Firma ist das älteste Großhandelshaus der Waffenbranche.  Gegründet wurde das Unternehmen am 24.9.1853 von Herrn Albrecht Kind in dem kleinen Dorf Hunstig, ca. 50 km östlich von Köln.  


Die vorliegende Beretta-Pistole Mod.35, trägt auf der rechten Schlittenseite den Ford-Schriftzug. Leider gibt es (wohl) keine schriftlichen Aufzeichnungen mehr, so das man auf mündliche Informationen angewiesen ist. Sie und ein paar andere Pistolen verschiedener Modelle ausländischer Provenienz stammen aus den Beständen der Kölner Polizei, wo sie in den 1950er und 1960er Jahre im Dienst waren.

Nach ihrer Ausmusterung gelangte die vorliegende Waffe über einen Schießausbilder der Kölner Polizei, welcher in den 1970ern auch den Ford-Werkschutz beraten und ausgebildet hatte, in den Besitz der Ford-Werke Köln. Dies belegt der „Ford“-Schriftzug auf der rechten Seite des Verschlussstückes sowie die Beschriftung „DK 7554“, wobei „DK“ für die ‚nicht produktiven Dienste‘ bei der Firma Ford (z.B. den Werkschutz) steht und es sich bei der Zahl „7554“ um eine fortlaufende Nummer handelt.

Heute will man bei den FORD-Werken nichts mehr davon wissen, dass bis in die 1970er Jahre hinein einige Angehörige des Werkschutzes als Personenschützer für die Mitglieder des Vorstands Dienst taten und daher bewaffnet waren. 
Nach ihrer Ausmusterung kam diese „Ford-Beretta“ dann in eine private Sammlung.

Die technischen Daten beider Modelle: 
Modell 34 
•    Kaliber: 9mm Browning kurz 
•    Länge : 15 cm 
•    Lauflänge: 8,5 cm 
•    Leergewicht: 630 g 
•    Magazin: 7 Patronen 
Modell 35 
•    Kaliber: 7,65 mm Browning 
•    Länge : 15 cm 
•    Lauflänge : 8,5 cm 
•    Leergewicht: 620 g 
•    Magazin: 8 Patronen